Der Megatrend Digitalisierung hat auch die Parken Branche erfasst. So war die begleitende Fachtagung zur diesjährigen PARKEN mit 233 Teilnehmern komplett ausgebucht. Mit ein Grund: Alle waren gespannt auf die digitalen Themen, die das Vortragsprogramm als roter Faden durchzogen.
Auch in der Parken Branche sind digitale Lösungen und Geschäftsmodelle zunehmend unentbehrlich und Teil des Tagesgeschäfts. Dieses Resümee dürften Besucher der Fachtagung des Bundesverbandes Parken e.V. gezogen haben, die begleitend zur Messe PARKEN am 5. Juni in Wiesbaden stattfand und rekordverdächtige 233 Teilnehmer zählte. Während einschlägige Branchenunternehmen in zwei Hallen des RheinMain CongressCenters über die ganze Breite der Trends informierten, wurden in der Fachtagung einzelne Aspekte schwerpunktmäßig aufgegriffen und vertieft.
Dass die Digitalisierung eines der beherrschenden Branchenthemen ist, betonte auch Michael Kesseler, Vorstandsvorsitzender der Bundesverbandes Parken, in seinem Grußwort. „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“, so Kesseler im Hinblick auf die aktuellen Veränderungen. Beispielsweise seien einfachere Bezahlmethoden auf digitalem Weg möglich. Dies erfordere allerdings Standardisierungen, sagte Kesseler. International sei hierfür unter tatkräftiger Unterstützung des europäischen Dachverbandes European Parking Association die Alliance for Parking Data Standards (APDS) gebildet worden. Weitere Kooperationen mit anderen Organisationen seien notwendig, so Kesseler, etwa mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA). Der Interessenverband der Automobilhersteller stehe in engem Austausch mit dem Bundesverband Parken e.V. und war auf der Messe PARKEN 2019 erstmalig mit einem eigenen Messestand vertreten. Gemeinsam wolle man unter anderem das Thema Automated Valet Parking weiterentwickeln. Angesichts der Veränderungen in der Parken Branche sei es wichtig, offen dafür zu sein und die Prozesse mitzugestalten, so Kesseler. „Das Thema Mobilität bleibt ein Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Gesellschaft“, erklärte der Vorsitzende des BV Parken.
IT-Experte führt Live-Hacks vor
Sein Vortragsthema „Hacking & Cybercrime“ veranschaulichte IT-Sicherheitsexperte Götz Schartner mit einem eindrucksvollen Live-Hack. Ohne größere Schwierigkeiten verschaffte sich der Referent Zugriff auf persönliche Geräte einzelner Fachtagungsbesucher, konnte Daten mitlesen oder gar eine SMS von einem Smartphone zum anderen senden. Auch Gespräche hörte er auf einem der gehackten Smartphones zum Schock aller Anwesenden im Saal laut mit. Möglich werden solche illegale Zugriffe über das Auslesen von IP-Adressen, erklärte der Fachmann.
Für private wie gewerbliche Nutzer sei es eminent wichtig, sich gegen solche Hackerangriffe wirkungsvoll abzusichern, so Schartner. Laut dem Experten erkennen gängige Virenscanner und Firewalls allerdings nur rund 50 Prozent der im Umlauf befindlichen Schadsoftware. Regelmäßige Updates seien unablässig. Unternehmen empfahl er, Backups wichtiger Daten auf Wechseldatenträgern vorzunehmen und Speichermedien sicher zu entsorgen. Außerdem riet er dazu, in Unternehmen keine WLAN-Netzwerke einzusetzen und bei Zahlungen auf sichere Verfahren zu achten.
Um für mehr IT-Sicherheit zu sorgen, riet Schartner Unternehmen, zunächst ihre individuellen Risiken und Sicherheitslücken zu analysieren. Sorgfältig durchgeführt und von einem dauerhaften Monitoring begleitet, könne dieser Prozess ein bis zwei Jahr dauern. Spezifische Gefahren im Bereich Parken sieht der IT-Fachmann besonders bei den digitalen Bezahllösungen sowie in der internen Kommunikation per E-Mail. Grundsätzlich wichtig sei, sich überhaupt um Risiken in der IT zu kümmern. Auf Computer zu verzichten sei keine Option. Denn: „Ohne Digitalisierung geht es nicht“, so Schartner abschließend.
Hohe Relevanz digitaler Parkraumdaten
Eine andere Facette der Digitalisierung in der Parkraumbewirtschaftung beleuchtete Prof. Dr.-Ing. Petra Schäfer, geschäftsführende Direktorin des ReLUT Research Lab for Urban Transport an der Frankfurt University of Applied Sciences. Sie legte in ihrem Vortrag den Fokus auf den Informationswert von Parkdaten und den Umgang damit. In einem wissenschaftlichen Projekt der Universität wurden Daten der Städte Köln, Frankfurt und Fulda zusammengetragen, digitalisiert und ausgewertet.
Ansatzpunkt war die Beobachtung, dass Kommunen selten vollständige Daten über den gesamten eigenen Parkraum vorliegen. Probleme entstehen unter anderem durch mangelnden Austausch zwischen privaten und öffentlichen Parkraumbewirtschaftern. Die Erhebung des Parkraums ist oft sehr aufwändig, da lokale Strukturen in diesem Bereich oft historisch gewachsen sind. Im Projekt wurden Datenbanken für das Bezugsjahr 2017 entwickelt. Dabei wurden 2.460 Einzeldateien zusammengeführt, die unter anderem Daten zu Parkplätzen, Parkbauten, Handyparken und Ordnungswidrigkeiten umfassten. Daraus ließen sich Rückschlüsse auf das Parkraumangebot in spezifischen Straßenzügen der untersuchten Städte ziehen. Aus den Daten zu geahndeten Ordnungswidrigkeiten im On-Street-Parken konnten die Wissenschaftler weiterführende Informationen zu Anzahl und Art der Stellplätze, lokaler Infrastruktur und Bewirtschaftung sowie zu den Geltungsbereichen der örtlichen Beschilderung ableiten.
Die Stadt Köln stellte Rohdaten zum Verkauf digitaler Tickets und klassischer Parkscheine zur Verfügung. Daraus konnten die Wissenschaftler Rückschlüsse über die tageszeitliche Verteilung, die Nutzungszeit und die eingenommenen Gelder ziehen. Eine besonders hohe Nachfrage nach öffentlichem Parkraum besteht demnach zwischen 9 und 12 Uhr. Ein Ergebnis war außerdem, dass beim Handyparken im Schnitt 22 Prozent länger geparkt wird und der bezahlte Preis um 55 Prozent höher liegt als beim Zahlen am Automaten. Ferner wurde die Auslastung der Parkhäuser in Frankfurt am Main ermittelt. Perspektivisch könne man mit Hilfe der Auswertung von Parkdaten Folgeprojekte anstoßen und die Nutzung von Parkangeboten weiter analysieren, so Referentin Schäfer. Zentrale Themen könnten dabei der Parksuchverkehr, zukünftige Szenarien der Parkraumbewirtschaftung sowie die nachfrageseitige Preiselastizität sein.
Vernetzung und Datenaustausch
Datenvernetzung wird auch für die Nutzung intelligenter Parksysteme immer wichtiger. Darüber sprach Peter Lubrich, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Der Trend gehe zu sogenannten intelligenten Parksystemen (IPS), die eine Verbesserung des Parkraummanagements möglich machten. Sie helfen bei Überwachung, Nachfrageermittlung, Buchung, Zahlung und weiteren Aufgaben. Hier könnten neue Potenziale gehoben werden, denn aktuell bekämpfe die öffentliche Hand vielfach „digitale Probleme mit analogen Schildern“, so Lubrich. Es fehle noch an einer wirksamen Kopplung analoger und digitaler Ansätze. Bisher seien Datenkooperationen in ihrer Umsetzung oft ungenügend. So könne etwa eine kurzfristige Sperrung von Parkraum in Apps vielfach nicht berücksichtigt werden. Zentrale Forschungsfrage sei, ob und wie das Parkraummanagement durch die Nutzung von IPS-Diensten verbessert werden kann. Sind verschiedene Dienstleister beteiligt, werde oft ein Austausch von Daten und Informationen mehrerer privater und öffentlicher Partner notwendig. Ansätze zur Harmonisierung eines Parkdaten-Ökosystems können darin bestehen, für Datengeber und Datennehmer einheitliche Zugangspunkte für den Austausch ihrer Daten zu schaffen, sagte Lubrich. Insgesamt sei mehr Koordination und mehr Kooperation nötig: „Das Potenzial in Deutschland wird noch nicht voll ausgeschöpft“, so der Referent.
Parken und die Entwicklung der E-Mobilität
Mit einem anderen Thema beschäftigte sich Unternehmensberaterin Claudia Brasse in ihrem Vortrag „Elektromobilität im Kontext der Parkraumbewirtschaftung“. Brasse ging darin von einem perspektivischen Anstieg der E-Mobilität in den kommenden Jahren aus. Grundlage dieses Zukunftsszenarios sind generelle Veränderungen des Mobilitätsverhaltens. Zu beobachten sei eine weiterhin steigende Zahl von neu zugelassenen Pkw, mehr Mobilität und eine höhere Fahrzeugeffizienz. Einer der Begleiteffekte sei der zunehmende Parksuchverkehr, sagte Claudia Brasse. Zugleich werden in vielen Städten Schadstoffgrenzwerte überschritten. Durch eine Verbannung des Verkehrs aus Innenstädten, eine Reorganisation von Transport und Logistik sowie die Elektrifizierung von Antrieben könnten im Ergebnis moderne Smart-City-Entwicklungen angestoßen werden, so Brasse. In Bezug auf E-Mobilität sieht die Unternehmensberaterin Deutschland aktuell am Beginn eines beschleunigten Wachstums. Sie begründete dies mit der zunehmenden Modellvielfalt von Elektroautos und ihrer steigenden Effizienz. Die Situation fordere auch Entscheider der Parkraumbewirtschaftung zum Handeln auf. „Sie haben den Schlüssel in der Hand. Wo geparkt wird, wird immer auch geladen“, so Brasse gegenüber dem Plenum.
Parkdruck im öffentlichen Raum
Kommunale Probleme mit dem Parkraummanagement rückte der Diplom-Geograph Markus Stenzel in den Mittelpunkt seines Vortrags. Der Sachgebietsleiter im Bereich Verkehrsreglung im Straßenverkehrsamt der Stadt Frankfurt am Main ist in vielfacher Hinsicht mit den Auswirkungen des steigenden Pkw-Verkehrs konfrontiert. In den wachsenden Wohngebieten der Stadt lassen sich die benötigten Stellplätze häufig nur noch in Tiefgaragen schaffen. Denn die wenigen freien Grundstücke werden für den boomenden Wohnungsbau gebraucht. Zugleich nehme der Straßenverkehr zu, auch durch den wachsenden Fuhrpark vieler Unternehmen. In zentralen städtischen Bereichen würden zudem immer wieder Fernbusse auf öffentlichen Parkflächen abgestellt, die nicht für sie vorgesehen sind.
Nach seinem Eindruck sei das On-Street-Parken stark ausgelastet, während Parkhäuser und Tiefgaragen im ganzen Stadtgebiet nicht voll ausgelastet seien, so Stenzel. Abhilfe könnte eine höhere Attraktivität des Off-Street-Parkens schaffen. Bezüglich der Parkraumbeschaffung für Busse und Lkw rief der Vertreter der Stadt die Parken Branche zur verstärkten Zusammenarbeit auf. Mögliches Lösungsszenario, so Stenzel, seien mit Autohöfen vergleichbare Stellplätze. Michael Kesseler, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Parken e.V., forderte nach dem Vortrag Städte dazu auf, mit höheren Strafen die Voraussetzung für eine größere Attraktivität des Off-Street-Parkens zu sorgen.
Dynamische Entwicklungen
Enno Däneke von der Future Management Group beschrieb in seinem Fachvortrag Zukunftsszenarien der Mobilität, die auch Veränderungen im Parken mit einschließen. Neue technische Entwicklungen, so Däneke, verbreiteten sich oft exponentiell und nicht linear. Spartenprodukte oder Themen können dann an einem bestimmten Punkt sprunghaft an Aufmerksamkeit gewinnen. „Wir sind an einem Punkt, an dem sich Digitalisierungsentwicklungen massiv beschleunigen“, so Däneke. Hinsichtlich der Mobilität könnte eine Entwicklung eintreten, dass bis zum Jahr 2035 der private Kauf von Pkws massiv sinkt. Die Gründe dafür seien vielfältig. Perspektivisch seien Elektroautos ab 2025 in Anschaffung und Betrieb billiger als konventionelle Verbrenner. Zudem könnten Sharing-Modelle in der Zukunft dazu beitragen, dass die reine Nutzung von Fahrzeugen den Besitz übersteigt. So würden Service-Anbieter klassische Autohändler immer weiter verdrängen. Im Jahr 2028 sei damit zu rechnen, so Däneke, dass bereits jede dritte Autofahrt im Zusammenhang mit einem Sharing-Modell getätigt wird. Sogenannte Transport-as-a-Service-Dienste sind in diesem Szenario für den Nutzer billiger als der Besitz eines eigenen Fahrzeugs. Es seien für Marktbeteiligte verschiedene Strategien denkbar, um mit dem sich abzeichnenden Wandel umzugehen, erklärte Däneke. Wichtig für Unternehmen sei die Entwicklung einer gemeinsamen Zukunftsvision. Unter dieser Voraussetzung, so der Tenor in Dänekes Vortrag, seien auch für die Parken Branche die kommenden Jahrzehnte konstruktiv gestaltbar. Besucher der Fachtagung konnten bestätigen, dass die Veranstaltung ihre Funktion als aktuelle Wissensbörse der Parken Branche voll erfüllt hat. „Die Fachvorträge waren sehr interessant und am Puls der Zeit. Es gab genügend Gelegenheit, sich zu vernetzen und sich mit den Fachreferenten auszutauschen“, resümierte Michael Huttny, Manager im Innovationsmanagement von Parconomy, einem Open-Parking-System, das der Energieversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) auf der Messe vorgestellt hat.