Donnerstag, 25. April 2024

„Das Parkhaus wird zum Service-Haus“

Jürgen Block ist Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V. (bcsd). Parken aktuell sprach mit ihm über die Entwicklung der Passantenfrequenzen, die Bedeutung von Parkhäusern für attraktive Stadträume und die Vision von einer multifunktionalen Stadt.

Pandemiebedingt brachen die Besucherzahlen in den Städten zeitweise stark ein. Neue Untersuchungen registrieren wieder eine Zunahme des Innenstadtverkehrs und der Passantenfrequenzen in den Einkaufsmeilen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung aus Sicht Ihres Verbandes?

Natürlich freuen wir uns darüber. Das von uns vertretene Stadtmarketing ist grundsätzlich bemüht, die Frequenzen in den Städten hoch zu halten. In den letzten Jahren – also auch schon vor Corona – wurde das jedoch immer schwieriger. Der Handel hat durch E-Commerce weltweite Konkurrenz bekommen und ist nicht mehr der einzige Publikumsmagnet in den Zentren. Auch Gastronomie, Kultur und Freizeitangebote tragen zu einer lebenswerten Stadt bei.

Wie lässt sich eine „gesunde Frequentierung“ von Städten definieren? Gibt es auch ein Zuviel?

Es kann schon mal zu viel werden, gerade in Kombination mit touristischen Attraktionen. Für Venedig, Berlin oder Amsterdam wird bisweilen von „Overtourism“ gesprochen.

Tragen Parkhäuser und ein gut funktionierendes Parkraummanagement zur Attraktivität einer Stadt bei?

Auf jeden Fall. Ein Parkhaus ist wie ein Anker in der Stadt. Aber auch in den Kiezen, wie man bei uns Berlin sagt, können Quartiersgaragen die Straßen entlasten.

Im Zuge dessen reduzieren viele Städte das Stellplatzangebot. Wie beurteilen Sie das?

Parkplätze sind öffentlicher Raum, den viele gesellschaftliche Gruppen nicht ausschließlich den Autos überlassen wollen. Stattdessen können dort Grünflächen, Gehwege, Außengastronomie etc. angesiedelt werden. Das gehört zu einer modernen Innenstadt und entspricht dem Zeitgeist.

Können das Parkhäuser kompensieren?

Das Parkhaus kann viele Funktionen übernehmen. Dafür muss es gut angebunden und in die ÖPNV-Infrastruktur eingebettet sein. Verschiedene Verkehrsträger sollten gut aufeinander abgestimmt sein, auch was die Verkehrsführung angeht. Das gilt auch für Wohnbereiche sowie in Klein- und Mittelstädten.

Die Nutzung von Parkgaragen ändert sich demnach?

Das Parkhaus wird mehr zum Service-Haus – übrigens auch zunehmend für Fahrräder. Im Bereich der Lastenfahrräder kann das Parkhaus außerdem als Logistik-Hub für die letzte Meile dienen. Es gilt also, das Parkhaus neu zu denken.

Als multifunktionaler Mobility Hub?

Wir sind sicher an einem Wendepunkt. Das Auto ist nicht mehr uneingeschränkt Status-symbol. In großen Städten braucht man nur ab und zu ein Auto. Carsharing ist hier in Berlin zum Beispiel ein großes Thema. An meinem Wohnort in Charlottenburg sind in den letzten Jahren viele Parkplätze weggefallen, ich schätze jeder dritte. Stattdessen wurden unter anderem Fahrradbügel installiert. Das Auto komplett auszusperren, geht nicht, aber ein Kiez-Parkhaus ist aus meiner Sicht eine gute Lösung, um den Verkehr variabler und die Schnittstellen fließender zu gestalten.

Was erwarten Besucherinnen und Besucher einer Innenstadt bezüglich der Erreichbarkeit, insbesondere des Mobilitäts- und Parkraumangebots?

Eine City-Maut kann ich mir nicht vorstellen. Eher schon, den Verkehr nicht nur individuell zu regeln, sondern den Zugriff auf verschiedene Systeme zu ermöglichen – so ein bisschen wie am Urlaubsort, wenn man nicht das eigene Auto dabei hat. Durchgängige Apps für verschiedene Verkehrsträger können hierbei sicher hilfreich sein.

bcsd-Geschäftsführer Jürgen Block

Städte sollen nach den Vorstellungen Ihres Verbandes die Funktionen Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Erholen erfüllen. Wie gelingt das?

Unsere zentrale Frage lautet: Wie lassen sich Innenstädte attraktiv und lebenswert gestalten? Da wir keine reinen Einkaufsstädte mehr haben wollen, müssen Städte wesentlich multifunktionaler ausgerichtet sein. Nur mit billigen Angeboten kann der Einzelhandel nicht mehr punkten. Service und eine am Erlebnis orientierte „Customer Journey“ gehören dazu. Frequenzbringer sind daneben gastronomische Angebote, Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Parkhäuser sollten gut erreichbar, komfortabel, sicher und sauber sein. Übrigens sollten wir auch an die immobilen Menschen denken. Das alles muss man zusammenbringen.

Sie setzen sich für ein Bild der „europäischen Stadt“ ein, die mit ihrer lebendigen Innenstadt Bürger und Gäste anzieht und sie zum Aufenthalt einlädt. Welche Hebel sehen Sie?

Heutzutage können sie sich das Leben vom Sofa aus organisieren. Alle gewünschten Waren und auch Dienstleistungen lassen sich nach Hause bestellen oder streamen. Locken können wir mit einer erlebnisreichen Zeit, die wir mit anderen Menschen in der Stadt verbringen. Die wichtigste Funktion der City war schon immer, „sehen und gesehen werden“. Events wie verkaufsoffene Sonntage oder Stadtfeste können zur temporären Belebung beitragen.

Wie sieht die Stadt der Zukunft in Bezug auf den Individualverkehr aus?

Neue Trends sind in der Gesellschaft erkennbar: Sharing und Konnektivität lösen das Individuelle ab. Die daraus resultierenden Veränderungen passieren aber nicht von heute auf morgen und auch nicht überall gleichzeitig. Eine reizvolle Perspektive ergibt sich für das Parkhaus als Serviceeinrichtung der Zukunft. Auch der ländliche Raum hat Chancen, beispielsweise durch autonom fahrende Fahrzeuge, die feste Buslinien ersetzen. Im Idealfall gelingt es, begrenzende Faktoren durch technologische Entwicklungen zu überwinden und mit den Bedürfnissen der Menschen in Einklang zu bringen.

© hanohiki / Shutterstock.com; bcsd / Peter Wieler

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