Donnerstag, 25. April 2024

„Essenzieller Bestandteil der Mobilitätskette“

Networking ist für den Anbieter einer Plattform Kerngeschäft. Wie erfolgreich Christian Grzona im sehr speziellen Jahr 2020 bei der Suche nach Partnern war, schildert er uns im Interview. Es könnte ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg digitaler Parkangebote sein.

Sie sind seit 1. Januar 2020 Director Sales & Marketing bei evopark und angetreten, die Marktposition von evopark international zu stärken. Können Sie trotz der schwierigen Lage im vergangenen Jahr Erfolge verbuchen?

Christian Grzona: 2020 war ein Jahr mit großen Herausforderungen für die gesamte Parken Branche. Vor allem während der Zeit des ersten Lockdowns und zum Ende des Jahres sind die Parktransaktionszahlen eingebrochen. Umso wichtiger war es, neue Wege einzuschlagen, die zum Beispiel die Sicherheit der Kunden in den Mittelpunkt stellen. Die Nachfrage nach digitalen, berührungslosen Lösungen für die Parkinfrastruktur ist in den letzten Monaten enorm gestiegen. Wir haben viele sehr positive Gespräche und Workshops mit interessierten Kunden geführt und gehen voller Zuversicht in das neue Jahr. Mitten in der Krise konnten wir mit der Implementierung von easy CONTRACT für den Flughafen Boston Logan einen wichtigen Schritt in Richtung Internationalisierung gehen. Als Experte für digitale Lösungen und gesamtheitlicher Plattform-Anbieter konnten wir unsere Stärken weiter konsolidieren. Wir haben 2020 dafür genutzt, unsere Strukturen und Prozesse zu optimieren und auf Wachstum auszulegen sowie unser Produktportfolio zu schärfen.

Andere Länder sind bei der Digitalisierung des Parkens schon deutlich weiter, heißt es immer wieder. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung im internationalen Vertrieb, zum Beispiel in der Region Asia-Pacific?

Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt sicherlich Länder, die teilweise schon etwas weiter sind als Deutschland. So fährt man in Singapur beispielsweise bereits seit 2007 mit vollintegrierter und berührungsloser Antennentechnologie, die auch für die Abwicklung der Straßenmaut eingesetzt wird. In Hongkong ist die Bargeldnutzung im Parken dank der Octopus-Karte auch bereits seit vielen Jahren Geschichte. In anderen Ländern befindet man sich hingegen erst am Anfang der Automatisierung, da der Arbeitslohn oft sehr niedrig ist und die Anschaffung von teuren Maschinen oft – zumindest gefühlt – nicht rechtfertigt. Spannend zu sehen ist es, wie diese Länder teilweise eine ganze Technologie-Generation überspringen und direkt auf digitale Technologien setzen. Alles in allem sehe ich Deutschland jedoch auf einem guten und soliden Weg in eine digitale Zukunft des Parkens. Insbesondere auch durch Smart-City-Initiativen wird sich die Rolle von Parkflächen in der Innenstadt und in Randlagen verändern. Wird ein Stadtzentrum autofrei, gewinnen die Randlagen an Relevanz, beispielsweise als Mobilitäts-Hub. Werden Parkflächen von der Straßenkante verdrängt, um mehr Platz für Radwege zu schaffen, gewinnen ungenutzte Parkflächen im privaten Raum an Relevanz. Um diese Anforderungen effizient und transparent zu managen, ist smarte Technologie unabdingbar.

War bzw. ist Corona ein Katalysator für Digitalisierung in der Parken Branche?
Ganz klar ja. Während digitalen Produkten vor der Krise häufig noch ein großes Maß an Skepsis entgegengebracht wurde, hat sich das im Laufe des Jahres 2020 komplett verändert. Berührungslose und bargeldlose Technologien stehen inzwischen sehr weit oben auf der Agenda – und das gilt nicht nur für Betreiber, sondern gerade auch für Bestandshalter. Es ist schön zu sehen, dass der Markt nach und nach aufschließt. Wir bei evopark sehen ‚das Parken‘ nie als autarken Mikrokosmos, sondern immer im Smart-City-Kontext. Wir sind überzeugt, dass die Zukunft mobilitätsübergreifenden Lösungen gehört, die das Parken als essenziellen Bestandteil der Mobilitätskette begreifen. Mit unseren SaaS-Lösungen evopark GO und easy CONTRACT, aber auch neu entwickelten Lösungen für Bestandshalter haben wir uns ein starkes Portfolio erarbeitet, mit dem wir die Digitalisierung des Parkraums entscheidend vorantreiben können.

Holt Deutschland auf?
Ja. Viele Unternehmen denken inzwischen um und bewegen sich aus ihrer Komfortzone. Dafür wird es auch höchste Zeit, denn alle Ampeln stehen auf Grün, für kleine wie für große Unternehmen. Selbst für Parkplätze mit nur zehn Stellplätzen eröffnen sich dank SaaS-Technologien Möglichkeiten neuer Mobilitätskonzepte. So können beispielsweise Firmenparkplätze nachts einfach zu Anwohnerparkplätzen umfunktioniert oder überschüssige Kontingente temporär anderweitig vermarktet werden. Abhängig von der Dauer des zweiten Lockdowns erwarte ich für 2021 ein entscheidendes Jahr in der Digitalisierung des Parkens in Deutschland.

Sind Mobilitäts-Apps dabei im Kommen oder vertraut man eher auf fest verbaute Systeme im Navi bzw. Medien wie RFID oder Kfz-Kennzeichen?

Das eine schließt das andere nicht aus. Auch hier müssen wir uns davon befreien, in starren Strukturen zu denken. Unsere Partner aus dem Bereich der Mobilitäts-Apps sind oft völlig offen, was das Authentifizierungsmedium angeht. So ist es beispielsweise möglich, mehrere Authentifizierungsmedien (Kennzeichen, RFID, QR-Code) an einen Account zu knüpfen. Über Car-Play und andere Dienste sind diese Apps ohnehin bereits fest im Auto etabliert. Ich persönlich erwarte eine klare Orientierung hin zu vollständig digitalen Medien, das heißt zu Medien, für die keine Produktion und kein Versand mehr erforderlich sind.

Plattform ist oft ein Buzzword, finde ich. Sie bieten eine. Inwiefern sind Sie damit Vorreiter in der Branche?

Neben unseren SaaS-Produkten easy CONTRACT für die Dauerparker-Verwaltung und evopark GO für die Abwicklung von registrierten Kurzparkern haben wir uns das Ziel gesteckt, mit mobility CONNECT die größte Plattform zur Interaktion zwischen Mobilitätsanbietern und Parkhausbetreibern in Europa zu etablieren. Hierbei setzen wir neue Maßstäbe. Wir können neue Partner einfach integrieren und bieten offene Schnittstellen zu Mobilitätsanbietern und Systemherstellern. Die Technologie ist dabei nur eine Seite der Medaille. Weitere Vorteile sind unsere fundierte Branchenkenntnis und eine gut gepflegte Interessensgemeinschaft, die diesen Marktplatz gemeinsam vorantreibt. In den letzten sieben Jahren hat sich evopark von einem Start-up zu einem wichtigen Bindeglied verschiedener Interessengruppen rund um die ruhende Fläche entwickelt. Und diese Akteure haben eines gemeinsam: Sie haben erkannt, dass sie, wenn sie in Zukunft erfolgreich sein wollen, nicht nur auf ein Pferd setzen. Jetzt gilt es, sich zu vernetzen und digitale Services klug zu kombinieren. Ob Endkunde, Mobilitätsanbieter, Betreiber oder Bestandshalter – alle können gemeinsam profitieren, wenn wir es schaffen, Interessen branchenübergreifend anzugehen. evopark ist dabei der entscheidende Multiplikator.

Ein Hemmschuh aus Kundensicht: Easy­Park & Co. sind im On-Street-Bereich – gerade in kleineren Städten – oft gar nicht verfügbar. Off-street konkurrieren verschiedene, teils proprietäre Systeme und Medien. Welchen Ausweg sehen Sie? Braucht es einen Monopolisten wie Google für die Parken Branche?

Ich bin absolut kein Freund von Monopolisten – ganz im Gegenteil: ein gesunder Markt belebt bekanntlich das Geschäft. Man darf nicht vergessen, dass wir in Bezug auf die Digitalisierung noch am Anfang einer Markttransformation stehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in zwei bis fünf Jahren eine erheblich größere Flächendeckung der Services in Deutschland sehen werden. Hierbei spielen die Mobilitätsanbieter mit ihrem Engagement im On-Street-Bereich eine entscheidende Rolle. Sind digitale Services on-street einmal etabliert, macht es eine Ausdehnung auf Off-Street-Parkflächen erheblich leichter. Gleichzeitig werden Erkennungstechnologien immer effizienter und günstiger und bieten somit auch einer immer größeren Gruppe von Betreibern eine attraktive Alternative und/oder Ergänzung zu ihren etablierten, konventionellen Services.

Das Parkhaus und der Parkplatz werden zunehmend zum Mobility Hub: Dort verfügbare Mehrwertdienste bieten Mehrwert für Kunden. Aber wo bleibt die (Mehr-)Wertschöpfung auf der Anbieter- bzw. Eigentümerseite? Droht nicht folgender Dreisatz: Je mehr Services, desto weniger Rendite bleibt für den Einzelnen?

Das sehe ich ein wenig anders. Ich bin davon überzeugt, dass Kunden immer bereit sind, für guten Service zum richtigen Zeitpunkt zu bezahlen. Die Digitalisierung bietet dabei eine erhebliche Chance, Services nicht nur sichtbarer zu machen, sondern auch besser zu messen und zu optimieren. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland in Bezug auf Parktarife oft weit hinterher. Durch die Digitalisierung lassen sich beispielsweise viel einfacher Konzepte wie „dynamisches Pricing“ umsetzen, was auch für Endkunden Vorteile bietet, da ein marktgerechter Preis für einen Service erhoben wird, der sehr stark von Angebot und Nachfrage abhängt. Gleichzeitig lassen sich durch digitale Technologien viele konventionelle Betriebskosten einsparen; mechanische Teile in Kassenautomaten und Medien wie Tickets sind dabei nur ein kleiner Teil. Unsere Verwaltungslösung easy CONTRACT ersetzt zum Beispiel die meisten papierbasierten Prozesse und steigert die Effizienz in der Dauerparkerverwaltung. evopark GO ist eine elegante und schlanke Möglichkeit, Kurzparkern schnell digitalen Zugang zu bieten und dabei wertvolle Einblicke in das Parkverhalten zu erhalten. Kunden können gezielter angesprochen, die Parkauslastung optimiert werden. Darum bin ich der Meinung, dass die Digitalisierung eher für eine Steigerung der Rendite sorgt.

Sie bezeichnen evopark mobility CONNECT als das größte Netzwerk von Mobilitätsanbietern in Europa. Angesichts der kooperierenden Mobilitätsanbieter* nachvollziehbar. Auf Seiten der Parkhausbetreiber scheint jedoch noch viel Luft nach oben – vielleicht gerade wegen der vorherigen Frage?

Natürlich hatten wir lange mit dem altbekannten „Henne und Ei“-Problem zu kämpfen: Viele wünschten sich ein großes Netzwerk digitaler Parkmöglichkeiten für ihre Kunden, wollten aber nicht den ersten Schritt gehen. Aktuell zeichnet sich jedoch ab, dass wir vor allem in Ballungszentren eine kritische Masse erreichen werden. Spannend wird hierbei, inwieweit die großen Betreiber bereit sind, ihren Bestand auch für andere Mobilitätsservices zu öffnen. Wir sind der Meinung, dass diese neue Form des Parkens schon bald als „normaler“ wahrgenommen wird als das klassische Ticketziehen und der Gang zum Kassenautomaten.

Wie entwickelt sich die Zahl der Nutzer Ihrer Plattform?

Gemeinsam mit unseren Partnern konnten wir trotz des schwierigen Corona-Jahres gute Zuwächse in den Endnutzer-Transaktionen verzeichnen. Auffallend hierbei ist, dass die tatsächliche Akzeptanz sehr stark von einem „Buy In“ der jeweiligen Betreiber abhängt. Umso mehr Möglichkeiten wir haben, die Technologie gemeinsam mit dem Betreiber zu bewerben, umso schneller registrieren sich Kunden für den Service.

Sie sagten bei Ihrem Antritt: „Das Management externer Stakeholder wird der Schlüssel zum Erfolg sein.“ Welche Stakeholder meinten Sie damit genau?

In meiner Rolle bin ich einerseits für den Ausbau eines Distributionsnetzwerkes außerhalb von Deutschland verantwortlich. Wir haben viel vor in den nächsten Jahren und möchten die positiven Erfahrungen und unser Know-how internationalisieren. Hierzu können wir wie erwähnt bereits einige Erfolge verzeichnen. Darüber hinaus setzen sich unser Geschäftsführer Henk de Bruin und ich kontinuierlich für neue Partnerschaften und Kooperationen mit Mobilitätsanbietern und Systemherstellern ein. Gemeinsam mit unseren Parkhausbetreiber-Kunden sind das die externen Stakeholder, von denen ich bei meinem Antritt vor gut einem Jahr sprach.

Sind Sie damit vorangekommen?

Der Appetit ist auf allen Seiten sehr groß. Wir haben 2020 einige neue Partner gewonnen und stehen mit vielen weiteren bereits in den finalen Verhandlungen über eine Kooperation. 
Die Fragen stellte Marko Ruh, Chefredakteur Parken aktuell
* Stand 01/2021: PARK NOW (Tochtergesellschaft der BMW Group), Mercedes Benz Parkkarte, Porsche Parken Plus, PayByPhone – sunhill technologies (Tochtergesellschaften der Volkswagen Financial Services),
EasyPark, Parkamo

Foto: evopark

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