Dienstag, 16. April 2024

„Die Norm ist kein Gesetz“

Parken aktuell sprach mit dem Parkhausbetreiber Christian Rauch und dem Sachverständigen Jochen Lude über die DIN EN 12453. Beide sind profunde Kenner der Materie und geben Auskunft über die jüngsten Entwicklungen.

Christian Rauch ist Geschäftsführer der Würzburger Stadtverkehrs-GmbH und Vorstandsmitglied im Bundesverband Parken e.V. Seit vielen Jahren engagiert er sich dort auch im Technischen Ausschuss sowie im Ausschuss Bau und Unterhalt. Seit 2020 vertritt er den Parken-Verband als Mitglied beim DIN in Berlin.

Eher wird man vom Blitz getroffen als von einer Parkhausschranke.“ So stand es in der Parken aktuell vom Dezember 2019. Mit diesem anschaulichen Vergleich ordnete Christian Rauch die Gefahr ein, die von Ein- und Ausfahrtschranken in Parkierungsanlagen ausgehen – quasi keine. Auslöser unserer damaligen Berichterstattung war eine bekannt gewordene Änderung in der DIN EN 12453:2017. Plötzlich sollte auch die Parken-Branche unter diese Europäische Norm fallen. Sie legt Anforderungen und Prüfverfahren hinsichtlich der Nutzungssicherheit kraftbetätigter Tore und Schranken fest – und gilt seit der 2017er-Fassung unversehens auch für Parkhausschranken.

Status quo

Mittlerweile ist die DIN EN 12453:2017 im Beuth-Verlag, ein Tochterunternehmen des DIN Deutsches Institut für Normung e. V., veröffentlicht und damit sozusagen offiziell. Auch eine Fassung von 2021 ist international mittlerweile verfügbar, wird derzeit allerdings noch ins Deutsche übersetzt. In anderen Sprachen, beispielsweise niederländisch, liegt bereits eine Übersetzung vor.

Das Problem bleibt: Die Ausweitung der Norm auf Parkhausschranken ist nach wie vor enthalten und betrifft Garagenbetreiber in ganz Europa. „Allerdings“, betont auch der Sachverständige Jochen Lude ausdrücklich, „handelt es sich um eine Norm, kein Gesetz.“ Eine Norm beschreibt den Stand der Technik und stelle eine Empfehlung dar, so Lude.

Hintergrund

Jochen Lude ist technischer Betriebswirt, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger und Leiter Produktmanagement bei der SOMMER Antriebs- und Funktechnik GmbH. Lude ist personenzertifiziert für das Fachgebiet Tore, Türen und Schranken und Mitglied im DIN-Normenausschuss Bauwesen (NABau).

Parallel dazu wird die Produktnorm DIN EN 13241 überarbeitet, die die Leistungseigenschaften von Toren und Schranken festlegt und auf die DIN EN 12453 verweist. Ist ein Produkt nach einer harmonisierten Norm hergestellt worden, so wird davon ausgegangen, dass sie den darin erfassten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen entspricht und das CE-Kennzeichen erhalten darf. Diese Harmonisierung ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

Die Praxis

Für die Praxis wichtig ist: Es gilt die veröffentlichte 2017er-Fassung als Stand der Technik. In der Regel lassen Gerichte eine Umsetzungszeit gelten, auch wenn es keine Übergangsfrist gibt. Parkhausbetreiber sollten sich mit dem Thema also bereits auseinandergesetzt haben. Ziel ist, dass von der „Maschine“, also in diesem Fall der Schranke,- keine Gefahr für Personen ausgeht.

Aus Sicht des Sachverständigen sind zunächst die Hersteller in der Pflicht. Voraussetzung für den freien Warenverkehr von technischen Produkten im europäischen Wirtschaftsraum ist das CE-Zeichen, für das eine Risikobewertung durchzuführen ist. Diese spiegelt die Minimierung der Gefahr eines Personen- oder Objektschadens wider und ist vor dem Inverkehrbringen vom Hersteller durchzuführen.

Die technische Seite

„Die bekannten Zulieferer weisen auf die neuen Anforderungen bereits hin und bieten zusätzliche Sicherheitseinrichtungen zu ihren Schranken an“, sagt Christian Rauch. Was den normativ empfohlenen Stand der Technik angeht, gibt es im Wesentlichen zwei Lösungen, so der Sachverständige Jochen Lude.

State-of-the-Art sind Laser-Scanner, die den kritischen Bereich unter der Schranke überwachen. Befindet sich etwas in dem unsichtbaren Feld, während die Schranke sich schließt, lösen die Laser Alarm aus. Günstiger in der Anschaffung sind Lichtschranken. Diese müssen vor und hinter der Schranke angebracht sein, um in den kritischen Phasen unerwünschten Zutritt zu erkennen. Scanner und Lichtschranken erkennen nicht nur Personen, sondern auch Autos.

Bei beiden Systemen geht es im Kern darum, den kraftbetriebenen Antrieb der Schranke sofort zu unterbrechen, wenn Scanner oder Lichtschranke zum Beispiel ein Kind unter der zugehenden Schranke registrieren. Bei der Lichtschranke muss zusätzlich gewährleistet sein, dass die Schranke über eine Kraftabschaltung verfügt und grundsätzlich eine Kraftwirkung von maximal 400 Newton nicht überschreitet. „Gängige Schranken erfüllen das“, sagt Christian Rauch. Er weist zudem darauf hin, dass die in Frage kommenden Sicherheitseinrichtungen mit der Schrankensteuerung korrespondieren müssen. Ferner sollten sie sich so in das Parksystem integrieren lassen, dass sie im Notfall automatisch eine Warnmeldung an die Ferndiagnose in der Zentrale auslösen.

Solche Personenschutzeinrichtungen benötigen in jedem Fall auch die Zulassung durch eine unabhängige Prüfstelle. Im Zweifel empfiehlt Jochen Lude die Rücksprache mit dem jeweiligen Hersteller. Oftmals seien die technischen Dokumentationen sehr umfangreich und komplex.

Der Verband

Der Bundesverband Parken e.V. wird weiter darauf hinweisen, den alten Text wieder herzustellen, um Schranken an Parkstätten von der DIN EN 12453 auszuschließen, erklärt Christian Rauch. Auf europäischer Ebene wurden der European Parking -Association vom deutschen Parken-Verband Themen gemeldet, welche durch die EPA verfolgt werden sollten, darunter auch die DIN EN 12453. Mitglieder aus den Niederlanden und aus Frankreich haben das Thema ebenfalls auf die Agenda gehoben. Hinsichtlich der in Überarbeitung befindlichen DIN EN 13241 hat Christian Rauch vor Ablauf der Frist in diesem April Einspruch eingelegt. Nach wie vor vertritt der Bundesverband Parken die Auffassung, dass von Parkhausschranken keine ernsthafte Gefahr für Personen ausgeht.

Empfehlungen

Risikominimierende Maßnahmen sind das Ziel. Technische Sicherheitseinrichtungen wie der Laser-Scanner sind allerdings teuer, können teilweise so viel wie die Schranke selbst kosten. Daneben gibt es jedoch auch konventionelle Maßnahmen, um die Sicherheit rund um den Schrankenbalken zu optimieren. Dazu zählen die Entfernung der Barriere zum Gehsteig sowie das Vorhandensein von Warnschildern und separaten Fußwegen. Je unwahrscheinlicher der Aufenthalt von Menschen unter der Schranke, desto besser.

Man müsse auch immer den Einzelfall bewerten, sagen Lude und Rauch unisono. Ein gut besuchtes Einkaufszentrum ist etwas anderes als der Parkplatz vor einem Kurpark. In stark frequentierten Bereichen hält Christian Rauch die Laser-Scanner für geeigneter. Lichtschranken kommen ihm zufolge eher an Parkplätzen mit weniger Andrang infrage. Ob mit zusätzlicher Anwesen-heitserkennung oder ohne, Parkhaus-betreiber müssen für jede Anlage eine Risiko-bewertung vornehmen und diese auch dokumentieren, lautet die klare Empfehlung der beiden Fachleute.

Sollte ein Sachverständiger eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen, beispielsweise im Auftrag eines Gerichts, wird er sich auch auf die bestehende Norm, also die DIN EN 12453:2017, beziehen. Eine schriftlich vorhandene Risikobewertung wird er positiv berücksichtigen.

Fazit

Hektischer Aktionismus ist nicht angeraten. „Mir ist aktuell kein Gerichtsurteil mit einem Personenschaden durch eine Parkhausschranke bekannt“, betont der Würzburger Geschäftsführer Christian Rauch. Es bleibe dabei, dass man eher vom Blitz getroffen wird, wie es der Bundesverband Parken vor drei Jahren statistisch ermittelt hat. „Wir als Parkhausbetreiber sehen das Risiko als sehr gering an.“

© Fraport

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